Familienrechtsreform - die Hoffnung stirbt zuletzt
Geplante umfassende Reformen im Familienrecht: Unterhalt, Adoption, Sorge- und Umgangsrecht
Unterhaltsreform: Entlastung für mitbetreuende Väter
Eine bedeutende Reform im Unterhaltsrecht zielt darauf ab, den Kindesunterhalt fairer zu verteilen, insbesondere in Fällen des asymmetrischen Wechselmodells. Hierbei lebt das Kind überwiegend bei einem Elternteil, während der andere Elternteil wesentliche Betreuungsleistungen erbringt. Der Gesetzentwurf von Justizminister Marco Buschmann sieht vor, dass Barunterhaltspflichtige, die mehr als 29 Prozent, aber weniger als 50 Prozent der Betreuung übernehmen, finanziell entlastet werden. Im Gegenzug soll der andere Elternteil weniger Unterhalt erhalten, da durch das stärkere Engagement des Barunterhaltspflichtigen eigene Aufwendungen erspart und mehr Möglichkeiten zur Erwerbstätigkeit gegeben sind. (Blogeintrag zur Berechnung des Unterhalts)
Hintergründe zum Residenzmodell
Seit 1957 basiert das Unterhaltsrecht auf dem Residenzmodell, bei dem das Kind hauptsächlich bei einem Elternteil lebt und der andere Elternteil Barunterhalt zahlt. Dieses Modell nach den Vorschlägen des Justizministeriums jedoch als überholt, da es die heutige Lebensrealität vieler Familien nicht mehr widerspiegelt, in denen Kinder oft bei beiden Elternteilen abwechselnd leben.
Reform des Abstammungsrechts
Ein weiterer Schwerpunkt der Reformen betrifft das Abstammungsrecht. Insbesondere soll die Diskriminierung lesbischer Mütter beendet werden. Wenn ein Kind in einer Partnerschaft von zwei Frauen geboren wird, soll auch die Partnerin der Gebärenden automatisch Mutter werden können, ohne ein langwieriges Adoptionsverfahren durchlaufen zu müssen. Diese Regelung soll für alle gleichgeschlechtlichen und verschiedengeschlechtlichen Paare gleichermaßen gelten. Durch Elternschaftsvereinbarungen soll schon vor der Geburt Klarheit über die rechtliche Elternschaft geschaffen werden, was auch private Samenspenden einschließt.
Stärkung der Rechte leiblicher Väter
Leibliche Väter, die rechtlich Verantwortung für ihr Kind übernehmen möchten, sollen künftig besser geschützt werden. Während eines gerichtlichen Verfahrens zur Feststellung der Vaterschaft soll kein anderer Mann diese anerkennen können. Zudem soll die Anfechtung der Vaterschaft eines anderen Mannes möglich sein, selbst wenn bereits eine sozial-familiäre Beziehung besteht, was derzeit kategorisch ausgeschlossen ist.
Gesetzliche Regelung des Wechselmodells
Im Rahmen der Kindschaftsrechtsreform wird das Wechselmodell erstmals gesetzlich geregelt. Ein neuer Paragraph im Bürgerlichen Gesetzbuch soll es Familiengerichten ermöglichen, eine paritätische Betreuung anzuordnen, wenn dies dem Kindeswohl am besten entspricht. Damit wird das bisherige Residenzmodell weiter aufgeweicht.
Flexibilisierung des Sorge- und Umgangsrechts
Eltern sollen zukünftig mehr Gestaltungsmöglichkeiten beim Sorgerecht erhalten. Beispielsweise sollen sie unter Einbeziehung des Jugendamtes die Alleinsorge eines Elternteils vereinbaren oder diese von einem Elternteil auf den anderen übertragen können. Auch die Alleinentscheidungsbefugnis in Angelegenheiten des täglichen Lebens wird gestärkt. Zudem soll ein „kleines Sorgerecht“ eingeführt werden, bei dem Eltern bis zu zwei weiteren Personen, wie etwa neuen Partnern, sorgerechtliche Befugnisse einräumen können.
Erweiterte Rechte für Kinder und nichteheliche Paare
Kinderrechte sollen gestärkt werden, indem sie ab dem Alter von 14 Jahren Mitentscheidungsbefugnisse im Sorge- und Umgangsrecht erhalten. Zudem wird das Adoptionsrecht liberalisiert: Auch nichteheliche Paare sollen gemeinsam Kinder adoptieren dürfen, und die Einzeladoption durch einen Ehegatten wird ermöglicht. Neu eingeführt werden sollen zudem Umgangsrechte für Großeltern, Geschwister und andere Bezugspersonen sowie leibliche, nicht rechtliche Elternteile.
Ausblick
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) begrüßt die Reformen, betont jedoch die Dringlichkeit insbesondere der Abstammungsregelungen. Es sei wichtig, dass der Gesetzgeber aktiv wird, um die aktuelle Gesetzeslage, die möglicherweise verfassungswidrig ist, anzupassen. Auch die geplanten Änderungen im Kindschaftsrecht werden positiv gesehen, da sie die Gleichwertigkeit der Elternteile stärker betonen. Der DAV mahnt jedoch eine zügige Verständigung innerhalb der Bundesregierung an, um die Reformen rasch umzusetzen und Rechtsunsicherheiten zu vermeiden. Sollte die derzeitige Ampelkoalition die Reformen nicht durchsetzen können, könnte es bei einer zukünftigen rechtsgerichteten konservativen Koalition erneut zu einem Stillstand im Familienrecht kommen. Bereits jetzt befindet sich das Justizministerium mit den Gesetzesvorlagen in Verzug. Es bleibt abzuwarten, ob bei dem anstehenden Wahlkampf im nächsten Jahr genügend Kapazitäten für eine derart umfangreiche und notwendige Reform gefunden werden kann.
Bei Fragen rund um das Familienrecht berate ich Sie gerne in meiner Kanzlei in Wiesbaden.